Die Fasnacht in Arzl
(damals noch Arzl bei Imst) lässt sich zurück bis zur Mitte
des 19. Jahrhunderts dokumentieren.
Wie aus alten Berichten und Sagen zu entnehmen ist, haben
die alten Arzler wie in vielen anderen Orten auch, ihre
Bräuche gelebt.
Wie sich in früheren Jahrhunderten das dörfliche Leben in
der Fasnachtszeit abspielte, lässt sich auch in Arzl nicht
weiter beurkunden.
Die erste schriftliche Erwähnung von
"Fasnachtsbelustigungen" in Arzl findet man in einem
Zeitungsartikel vom 29. Februar 1850.
Dabei soll der Pfarrer von Arzl den
jungen Mädchen die Teilnahme an einem Ball oder anderen
Fasnachtsbelustigungen an einem besonderen "Beicht- und
Ablasstag" von der "Kanzel" aus verboten haben.
Zitate aus dem Artikel:
..... am Sonntag vorher, nachdem die Gottesdienste für die
ganze Woche und zuletzt auch für das Fest des hl. Namens
Jesu verkündet waren, im Verkünden unmittelbar ungefähr so
fortgefahren: „Und da an diesem Tage allgemeiner Beicht-
und Ablaßtag ist, (bei uns ist dieser Festtag so in Ehren,
daß Jedermann, der nur kann, an diesem Tage die hl.
Sacramente der Buße und des Altars empfängt,) so wird die
Gemeinde aufgefordert, diesen Festtag auch recht zu
heiligen, und gewarnt, an Fastnachtsbelustigungen
Teilzunehmen, wodurch dieser Festtag entheiliget werden
könnte. “Wie wir hörten, hatte der Hr. Curat den Herrn
Hauptmann schon bei der Einladung zum Balle auf diesen
Umstand aufmerksam gemacht und ihm gesagt, daß überhaupt
hier Tänze nicht einmal bei Hochzeiten gebräuchlich seien.
Dahin sind die Worte des Artikels zu verstehen: „Der Herr
Pfarrer habe seiner Gemeinde von der Kanzel die Theilnahme
an der besagten Unterhaltung verboten “Befehls zu zwingen“,
weiß die Gemeinde nichts. Allerdings hat derselbe aber in
der Mädchen-Feiertagsschule wovon die meisten erst 13-15
Jahre alt sind, dieselben wie sie selbst erzählen,
eindringlich ermahnt, standhaft Gott zu lieben - seine
Gebote zu halten - die Sünde und die gefährlichen
Gelegenheiten zur Sünde zu fliehen.
Quelle: Salzburger Constitutionelle Zeitung , 26.02.1850
z.B. Der "Kassonntag" und das "Scheibenschlagen":
Für den ersten Fastensonntag, altbekannt unter dem Namen
Sonntag Invocavit, war die Bezeichnung "Kassonntag" für
Tirol bereis im Mittelalter üblich ......
.......dagegen ist eine andere uralte Gepflogenheit, das
"Scheibenschlagen" jetzt völlig abgekommen. Die Burschen
gingen zu diesem Behufe am "Kassonntag" nach dem Nachtessen
auf eine Berglehne, die "Zarge" hinaus und schürten dort ein
großes Feuer an. Hierauf nahmen sie die hölzernen Scheiben,
welche in der Mitte ein Loch hatten, machten dieselben im
Feuer glühend und schleuderten sie mit einem geschicktem
Schwung fort, dass sie funkensprühend über einen steilen
Berghang ins Thal fuhren .
Mit diesem Scheibenschlagen wurde, wie man zu sagen
pflegte, der Fasching ("Fasnicht") zu Grabe getragen.
Der Brauch des Scheibenschlagens findet sich noch heutzutage
da oder dort im Oberinnthal, z.B. zu Perjen bei Landeck,
zu Arzl ........
Quelle: Chr. Hauser, Bote für Tirol, 25.02.1890
Auch in Sagen wird vom
sehr alten Brauch, dem Scheibenschlagen in Arzl berichtet.
Scheibenschlagen - Arzl:
Als am ersten Fastensonntag in Arzl in Oberinnthal
Scheiben geschlagen wurden, sah man sieben Teufel, die
tanzend und schreiend in den Wald sprangen. Es ist dies vor
beiläufig 22 Jahren geschehen.
Quelle: Ignaz V. Zingerle, Sitten, Bräuche und Meinungen,
Innsbruck 1871
Aus Arz1 bei Imst hielt sich die Nachricht aus der
Mitte des vorigen Jahrhunderts, das man beim
Scheibenschlagen sieben Teufel tanzen , schreien und in
den Wald springen sah.
......in vielen Orten erinnern nur mehr die Flurnamen an den
Brauch, so in Grins, Zams Arzl bei Imst .....
Quelle: Tiroler Fasnacht, Innerhalb der Alpenländischen
Winter- und Vorfrühlingsbräuche, Anton Dörrer, Wien 1949
Keine Maske nach dem Abendläuten ... Kinder wurden mit dem
"Putz" geschreckt:
......Noch in der Jugendzeit meines Schwiegervaters Hofrat
Ing. Alois Haupolter (1860-1921) und seines Bruders Reg.
Rat. Prof. Michael Haupolter (1854-1935) wurden Kinder in
ihrer Heimat Arzl bei Imst, wenn sie sich nach dem
Abendläuten auf der Gasse herumtrieben, mit dem Putz
geschreckt, der mit seinem Raben aus dem
Rappen"(Raben)"loch, einer schwer zugänglichen Höhle an der
Nordwand des Venetausläufers, herauskomme.
Quelle: A. Dörrer, Das Schemenlaufen in Tirol u. verwandte
alpenländische Masken- und Fasnachtsbräuche Innsbruck 1938
Eine andere Sage
berichtet, dass in Arzl am Osterstein schon zu frühere Zeit
die Hexen getanzt haben sollen.
Der Osterstein bei Arzl:
Nördlich vom Dorfe Arzl im Oberinntal liegt der so
genannte Osterstein (Ostarstoan). Es ist ein freistehender
massiger Hügel, vorn felsig, rückwärts bewaldet, zu dessen
Höhe ein Weg hinaufführt. Oben befindet sich ein kleiner
ebener Platz, mit einer Steinterasse, welche der
Hochosterstein heißt. Ringsum liegen mehrere abgeplattete
Steinblöcke (Ganden) zerstreut.
Der Ort gilt für unheimlich, weil einst Hexen hier
ihr Unwesen getrieben haben sollen.
Da sonst keine religiöse Zeremonie daselbst allenfalls zu
Ostern stattfindet, von der der Hügel seinen interessanten
Namen entlehnt haben könnte, so ist mit Sicherheit
anzunehmen, dass wir in ihm eine alte Kultusstätte der
deutschen Licht- und Frühlingsgöttin Ostara zu suchen haben.
Quelle: Ludwig von Hörmann, Der Osterstein bei Arzl, in:
Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols, I.
Jahrgang, Innsbruck 1864
Als Tanzplätze der Hexen wird auch Arzl erwähnt:
....4. Die Rindergasse in Arzl in Oberinnthal.
Quelle: Ignaz V. Zingerle, Sitten, Bräuche und Meinungen,
Innsbruck 1871
Auch dem
"Arzler
Hexenmuater au'wecke" kann man seinen Ursprung einer alten
Sage zuschreiben.
Das wilde Weiblein:
In einem Dorfe im Oberinnthal kam sieben Jahre lang
ein wildes Weibchen zu einer Familie auf Besuch und setzte
sich schweigend auf den Herd. Es that keinem ein Leid, doch
Niemand getraute sich, zu ihm etwas zu sagen. Da ging der
Bauer eines Tages auf einen Berg Holz hacken. Als er bei
seiner Arbeit einmal aufschaute, sah er zu seinem größten
Schrecken einen wilden Mann vor sich der zu ihm sprach: „Du,
Holzhacker sag' zum Stitzl, zum Wizl, der Thorizl sei todt!"
Abends , als der Bauer heimgekommen war, theilte er dem
wilden Weibchen die Botschaft mit. Da begann es zu weinen
und zu klagen und sprach: „Hättet ihr mich um mehr gefragt,
hätte ich euch mehr gesagt!" Mit diesen Worten machte es
sich auf und davon und ließ sich nie wieder sehen .
Quelle: Ignaz V. Zingerle, Sagen aus Tirol, Innsbruck 1891
Gratze-Fratze:
Auf dem nachmaligen Schlosserhof in Arzl diente vor
langer Zeit eine Dirne.
Sie war bildschön: Von mittelgroßer Statur mit langen
schwarzen Haaren, die sie selten zu Zöpfen flocht, und
glutvollen dunklen Augen. Allerdings sprach sie eine
Sprache, die niemand verstand und die Leute bezeichneten sie
deshalb als "Wilde". Irgendwie begegneten die Dorfbewohner
dieser Magd, die im letzten Haus vor dem großen dunklen Wald
arbeitete, mit Abscheu. Man wollte mit ihr nichts zu
schaffen haben. Dennoch erweckte sie in ihrer
Andersartigkeit allseits Neugier und wurde immer wieder
verstohlen beobachtet. Die Dirne aber war eine gutmütige
Person, bestimmt tat sie niemandem etwas zu Leide. Sie
werkte den ganzen Tag von früh bis spät, sprach kaum ein
Wort, weil niemand sie verstand. Sie war äußerst bescheiden
und begnügte sich als Lohn mit einer Kammer zum Schlafen,
die sie nicht einmal mit jemandem teilen mußte, weil auch
das Gesinde auf dem Hof sie mied. Außerdem erhielt sie je
ein Gewand für
Sommer und Winter sowie das Essen. Seit dieses Mädchen, von
dem man
nicht einmal den Namen wußte, da war, ruhte der Segen auf
dem Hofe. So ging es jahraus, jahrein.
Eines Tages aber kam ein altes Waldweib aus dem mittleren
Galtenwald und sagte zu der wilden Dirne: "Gratze, Fratze,
d'Rauchrinte ischt toat!" Da fing die Magd an, bitterlich zu
weinen und sprach: "Mei Muatter ischt gscbtoarbe." Dies
waren die einzigen Worte, die man je von ihr in einer
verständlichen Sprache gehört hatte. Am nächsten Tag aber
war sie verschwunden und niemand bat sie jemals mehr
gesehen.
Quelle: Alte Sage wiedererzählt von R. Neururer aus Arzl,
Woadli 1994
Nach mündlichen
bestätigten Überlieferungen wurden bereits in den Jahren
1909 bis 1912 "Wilde Fasnachten" durchgeführt.
Dabei gingen in den Abendstunden Hexen, Karrner, und Bettler
von Haus zu Haus. An bestimmten Plätzen wurden dabei Tänze
aufgeführt. Auch in der Zeit davor (Ende des 19.
Jahrhunderts) soll es zur Fasnachtszeit bereits
verschiedene Belustigungen gegeben haben.
1913 wurde ein
Fasnachtstreiben mit 35
Beteiligten in Arzl abgehalten. Ein Hexen- und ein Karrnerwagen wurden gebaut,
ebenfalls gab es eine "Labera". Wie sich alte Arzler, so auch Staggl
Johann *1901, Schöpf Jakob
*1892 (Jaggl), Wöber Johann (Lochers) und Trenker Johann (Janese) erinnerten, waren
immer Maskenträger mit dabei, die an den Schultern und an einem auf dem Kopf
getragenen Holzgestell "Singeslerglocken" befestigt hatten. Bei diesem
Holzgestell handelte es sich um Nachahmungen eines Aufputzes, den Kühe beim
Almabtrieb und bei Marktfahrten trugen.
Die
typischen Arzler „Singeslerpaare“ entwickelten sich somit bereits aus früheren
Fasnachtstreiben heraus und sind deshalb einzigartige Figuren bei einem
Fasnachtsumzug. Die männliche Maske trägt die hell klingenden "Singeslerglocken" um den Bauch
und Schulter sowie im Aufputz der Maske. Durch ihre "Singeslen" (gegossene
Glocken mit besonders schönen Klang) unterscheiden sich diese gegenüber den
"Schellen" (geschmiedete Glocken mit dumpfen Klang) von anderen Hauptfiguren bei
Fasnachten. Auch beim Aufputz, in Form einer "Singeslerglocke"
bemerkt man sofort den Unterschied. Die männliche Maske wird durch eine anmutige, weibliche Vortänzerin, die ein
Blumensträußchen mit sich trägt, begleitet. Das "Weible" ist wie eine Sennerin
im Dirndl gekleidet, trägt ein frühlingshaft klingendes „Gröll“. Die "Singeslerpaare" symbolisieren analog zu den durch mehrere Fasnachten
andernorts bekannten „Schell(n)er und Roll(n)er“ den ewigen Kampf des Winters
gegen den Frühling, aber auch der Kargheit gegen die Fülle des Lebens.
Dann kamen die Jahre des
1. Weltkrieges und auch in der Zeit danach ging es den Dorfbewohnern zu
schlecht um die Fasnachten groß zu feiern.
Eine weitere
dokumentierte Fasnacht in der Zwischenkriegszeit wurde 1930 abgehalten.
Die "Figatter-Reiter" waren damals bereits am Vormittag unterwegs um das
Fasnachtstreiben zu verkünden.
Der alte Brauch der
"Figatter-Reiter" aus der Gruppe der "Laberasänger" wurde bei der Arzler
Fasnacht noch bis zum Jahre 1990 erhalten.
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